„Srebrenica – Leben nach dem Genozid“ 

Ein Abend des Erinnerns und der Mahnung

Am 20. Juni 2025 richtete der IGMG Regionalverband Düsseldorf e. V. in Duisburg eine bewegende Gedenkveranstaltung anlässlich des 30. Jahrestages des Genozids von Srebrenica aus. Unter dem Titel „Srebrenica – Leben nach dem Genozid. Genozid in Srebrenica in den Augen eines Überlebenden“ versammelten sich zahlreiche Gäste aus Politik, Zivilgesellschaft, Religionsgemeinschaften und Wissenschaft, um der Opfer zu gedenken und den Überlebenden ihre Stimme zu geben.

Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Antimuslimischer Rassismus“ und setzte ein klares Zeichen: Gegen das Vergessen. Gegen das Schweigen. Für Aufklärung, Empathie und Gerechtigkeit.

Besonders gefreut haben wir uns über die Teilnahme des Bundestagsabgeordneten Mirze Edis. Seine Anwesenheit unterstrich die gesellschaftliche und politische Relevanz dieser Erinnerungskultur und die Verantwortung aller demokratischen Kräfte gegenüber den Opfern und der historischen Wahrheit.

Verantwortung in der Gegenwart

Diesen zentralen Teil des Abends übernahm Yunus Semerci, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit des IGMG Regionalverbands Düsseldorf und Moderator der Veranstaltung. Mit seinen einleitenden Worten setzte er gleich zu Beginn einen klaren ethischen Rahmen und schlug eine Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart.

Er erinnerte daran, dass das Gedenken an Srebrenica mehr ist als Erinnerung – es ist eine Mahnung und ein Prüfstein unseres heutigen moralischen Kompasses. In einer Welt, in der wieder Millionen Menschen Opfer von Krieg, Vertreibung und gezielter Vernichtung werden, dürfe „Nie wieder“ nicht zu einer leeren Floskel verkommen.

Besonders eindringlich war sein Bezug zur aktuellen Lage im Gazastreifen. Semerci sprach über die humanitäre Katastrophe, die sich dort Tag für Tag vollzieht – vor den Augen der Welt:

„Was in Gaza geschieht, ist die systematische Vernichtung einer Zivilbevölkerung – live, Stunde um Stunde. Die Bilder ähneln den Erzählungen von Mehmed Alić. Sie ähneln den Schreien von Enver.“

Er appellierte an die Zuhörenden, nicht zu verstummen und nicht zu vergessen – und betonte, dass es unsere gemeinsame Verantwortung sei, Unrecht als solches zu benennen, unabhängig davon, wo es geschieht oder wen es betrifft:

„Nie wieder bedeutet: Nie wieder für irgendwen. Nie wieder irgendwo. Nie wieder mit unserem Schweigen.“

Mit diesen Worten eröffnete Yunus Semerci den Abend – nicht nur informativ, sondern als tiefgehender moralischer Appell. Der gesamte weitere Verlauf der Veranstaltung stand damit unter dem Zeichen einer Haltung, die Erinnerung und aktives gesellschaftliches Handeln untrennbar miteinander verknüpft.

Ein kurzfristiger Wechsel – und ein würdevoller Vertreter

Ursprünglich war der Überlebende Hasan Hasanović als Hauptredner vorgesehen. Leider musste er seine Teilnahme aus persönlichen Gründen absagen – eine schwere Erkrankung in der Familie verhinderte sein Kommen. Wir wünschen ihm und seinen Angehörigen von Herzen Kraft und Heilung in dieser schwierigen Zeit.

An seiner Stelle übernahm Sejfuddin Dizdarević die Hauptrede. Dizdarević stammt aus Zenica in Bosnien und ist beruflich in der Medienbranche tätig. Ehrenamtlich engagiert er sich im Vorstand des Kreises der Düsseldorfer Muslime. Als Übersetzer des Buches „Srebrenica. Kein Vergessen. Kein Vergeben.“ von Hasan Hasanović kennt er dessen Lebensgeschichte und die Ereignisse rund um den Genozid bis ins Detail.

Seine tiefe persönliche und fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema sowie sein jahrelanges Engagement – unter anderem durch Bildungsreisen nach Bosnien – machten ihn zu einem würdigen und authentischen Vertreter der Stimme von Hasan Hasanović.

Das Leben von Hasan Hasanović – erzählt von Sejfuddin Dizdarević

Der Vortrag von Sejfuddin Dizdarević war eindrucksvoll, bewegend – und zugleich schmerzhaft ehrlich. Er schilderte das Leben von Hasan Hasanović, der als junger Mann den Todesmarsch überlebte, nachdem serbische Einheiten im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und systematisch mehr als 8.000 Jungen und Männer ermordet hatten.

Hasan verlor während des Genozids seinen Vater und seinen Zwillingsbruder. Er selbst überlebte den 100 Kilometer langen Marsch durch Wälder, Minenfelder und feindliche Linien. Heute arbeitet er als Kurator im Gedenkzentrum Potočari und erzählt seine Geschichte täglich aufs Neue – damit das Geschehene nicht vergessen wird.

„Ich erzähle meine Geschichte, damit sie sich nicht wiederholt. Ich erzähle, damit das Schweigen nicht stärker ist als das Leid.“ – Hasan Hasanović

Mit großer emotionaler Dichte zeichnete Dizdarević die Ereignisse von 1995 nach – und erinnerte auch an die bis heute andauernden seelischen Wunden, die Überlebende wie Hasan tragen. Die Zuhörenden waren tief bewegt. Viele verließen den Raum mit einem neuen Bewusstsein dafür, wie schnell aus Hass und Ausgrenzung Völkermord werden kann – wenn die Welt wegschaut.

Ein würdevoller Ausklang

Zum Abschluss der Veranstaltung wurde gemeinsam das Srebrenica-Bittgebet gesprochen – eine bewegende Zusammenfassung dessen, was Gedenken und Hoffnung verbinden soll:

„Möge aus Zorn Hoffnung werden.
Möge aus Rache Gerechtigkeit werden.
Mögen die Tränen der Mütter zu Gebeten werden,
sodass Srebrenica nie wieder passiert – niemandem und nirgendwo.“

Unser Dank

Wir danken allen Gästen, Rednern und Mitwirkenden für ihre Anwesenheit, ihr Engagement und ihre Haltung.
Unser besonderer Dank gilt Sejfuddin Dizdarević für seinen beeindruckenden Beitrag – und Hasan Hasanović, dessen Geschichte, auch in Abwesenheit, die Seele dieser Veranstaltung war.

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